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SUSCH
Anu Põder:
Space for My Body
Kuratiert von
Cecilia Alemani
3. Januar – 30. Juni 2024
Anu Põder: Space for My Body ist die erste grosse Retrospektive der beeindruckenden estnischen Künstlerin Anu Põder ausserhalb ihres Heimatlandes.
Basierend auf dem Titel einer Skulptur der Künstlerin, bietet die Ausstellung Anu Põder: Space for My Body für die internationale Kunstwelt eine einmalige Gelegenheit, Werke im Original zu sehen, die Estland bisher nur selten verlassen haben. Als Institution, die sich für die Sichtbarmachung und Förderung von Künstlerinnen einsetzt, deren Schaffen oft übersehen wurde, möchte das Muzeum Susch ihr viel zu wenig bekanntes Werk auch Wissenschaftlern, Studenten und Kunstliebhabern vermitteln. Gezeigt werden mehr als vierzig Werke aus den Jahren 1978 bis 2012, vorwiegend aus den Sammlungen des Estnischen Kunstmuseum in Tallinn, dem Kunstmuseum Tartu und dem Nachlass der Künstlerin.
Põder zählt in Estland zu den bedeutungsvollsten künstlerischen Stimmen der letzten fünf Jahrzehnte. Ihr Werk gewann seit den 1970er Jahren aufgrund seiner auffallend persönlichen und aussergewöhnlichen Konzeption und Gestaltungsweise zunehmend an Aufmerksamkeit. Es liess sich allerdings nur schwer in die frühere Kunstlandschaft Estlands eingliedern, und wurde aus diesem Grund viele Jahre kaum bis wenig beachtet. Põder setzte sich hauptsächlich mit dem menschlichen Körper auseinander und legte in einer Reihe sehr eindrucksvoller Skulpturen den Fokus auf die Unbeständigkeit und Vergänglichkeit des Lebens. Während ihrer gesamten Karriere griff sie auf unkonventionelle Materialien wie Textilien, Wachs, Gips, Seife, Plastik und Holz zurück und schuf mitunter auffallend delikate Assemblagen. Im Gegensatz zu ihren Künstlerkollegen, die mit traditionellen Materialien wie Bronze und Granit arbeiteten, um den Idealen der sowjetischen Gesellschaft zu entsprechen, entwickelte Põder aus alltäglichen, einfachen Substanzen ihr eigenes, intimes, sehr verletzliches visuelles Vokabular. Sie war nie daran interessiert, politische Führer in Bronze oder aristokratische Familien- und Sowjetideale zu verewigen; vielmehr richtete sie ihren Blick nach innen, um den Körper von innen heraus zu veranschaulichen. Põders Werk reflektierte quasi am Scheitelpunkt zweier einschneidender Epochen – der 1944 beginnenden sowjetischen Besatzung Estlands und der 1991 erlangten Unabhängigkeit – die Identitätsunsicherheit des estnischen Volkes. Als eine der sehr wenigen weiblichen Kunstschaffenden konzentrierte sie sich in einem dezidiert männlichen Umfeld neben internationalen Künstlerinnen wie Ana Mendieta, Louise Bourgeois, Magdalena Abakanowicz und Alina Szapocznikow auf die weibliche Subjektivität.
In lockerer chronologischer Reihenfolge richtet die Ausstellung den Fokus auf drei Hauptaspekte des Werks der Künstlerin.
Die Retrospektive beginnt mit einer Auslage von Puppen, Mannequins und Figuren als Hauptprotagonisten in Põders Vorstellungswelt. Eine grössere Werkgruppe, die von den späten 1970er bis zu den frühen 1990er Jahren reicht, rückt den menschlichen Körper in den Mittelpunkt ihrer künstlerischen Auseinandersetzung. In Ablehnung traditioneller Formen der Figuration, komponiert Põder kraftvolle Assemblagen verfallender oder gar amputierter Körper, die sie mit höchst ungewöhnlichen Materialien wie Plastik, Sackleinen, Wolle und Epoxidharz realisiert. Werke wie Before Performance (1981), Very Old Memories (1985) und Composition with Plastic and Synthetic Wool (1986) sind sinnlich, erotisch und gleichzeitig grausam; sie zeigen fragmentierte, amputierte weibliche Torsi, die von amorphen Fortsätzen durchschnitten werden. Der Leib wird in dieser Serie von Skulpturen zu einem Ort des Experiments: Gliedmassen werden verdreht, die Haltungen sind nie gerade, die Körper umarmen und verschränken sich, harte Materialien treffen auf zerfallende Strukturen. Põders Skulpturen bewegen sich an einer fliessenden Schwelle zwischen der Bejahung der eigenen Körperlichkeit und dem Unbehagen.
Der zweite Teil der Ausstellung konzentriert sich auf die Rolle von ungewöhnlichen Materialien und Kleidungsstücken als Stellvertreter für den Körper. In den 1990er Jahren realisierte Põder höchst suggestive und poetische Werke, die aus aufgeschnittenen, sezierten und zweckentfremdeten Mänteln und Kleidungsstücken bestehen. In Arbeiten wie Space for My Body (1995), Pattern as Sign. Furcoat (1996) und Cut Handbags (1997) ist das Abbild des eigentlichen Leibes nicht mehr präsent, sondern wird durch seine geisterhafte Gegenwart in diesen Gewändern ersetzt. Der daraus resultierende negative Raum deutet die Figur nur noch an, ohne sie tatsächlich abzubilden. Der Aspekt der Gewalt, der sich bereits in der Puppenserie manifestierte, wird im Akt des Aufschneidens dieser Gewänder wiederholt und lässt hängende Hüllen entstehen, die jenseitige Präsenzen suggerieren.
Die letzte Sektion der Ausstellung zeigt Põders Spätwerk und konzentriert sich auf ihre Beziehung zu Sinneswahrnehmung, Nahrung und Begehren. Werke in diesem Bereich, wie Lickers und Screen (beide 2007), verwenden oder evozieren Lebensmittel als Material und bejahen die flüchtige Existenz dieser Elemente, deren Veränderung, Verfall oder Auflösung, während sie den Ausstellungsraum mit Düften und Aromen füllen.
Die Ausstellung Anu Põder : Space for My Body beleuchtet in den spektakulären Räumlichkeiten des Muzeum Susch inmitten einer atemberaubenden Alpenlandschaft das herausragende Werk einer Künstlerin, die ausserhalb Estlands noch viel zu wenig Bekanntheit erlangen konnte.
Kuratiert wird die Ausstellung von Cecilia Alemani. Alemani ist derzeit die Donald R. Mullen, Jr. Direktorin und Chefkuratorin von High Line Art, dem Programm für öffentliche Kunst auf der High Line in New York. Im Jahr 2022 integrierte Alemani Werke Anu Põders in The Milk of Dreams, der 59. internationalen Kunstbiennale von Venedig.
Cecilia Alemani ist eine italienische Kuratorin mit Sitz in New York. Seit 2011 ist sie die Donald R. Mullen, Jr. Direktorin und Chefkuratorin von High Line Art, dem Programm für öffentliche Kunst auf der High Line in New York. Im Jahr 2022 kuratierte sie The Milk of Dreams, die 59. internationale Kunstausstellung der Biennale von Venedig. 2018 war Alemani künstlerische Leiterin der Eröffnungsausgabe der Art Basel Cities: Buenos Aires. Im Jahr 2017 kuratierte sie den italienischen Pavillon der Biennale von Venedig.
Anu Põder (1947–2013) war eine estnische Bildhauerin und Installationskünstlerin. Sie studierte an der Tartu Art School und der Abteilung für Bildhauerei am Estonian State Art Institute. Während ihrer Karriere experimentierte Põder mit abstrakten Formen und verschiedenen Materialien, die von ihrer Umgebung inspiriert waren. Ihre Kunstwerke waren zeit- und ortsbezogen und zeigten eine performativen Effekt, da sie im Laufe der Zeit zerfielen.
Põders Werk kann in zwei Kapitel unterteilt werden: eines, das Mutterschaft und das Leben am Ende der sowjetischen Ära erforscht, und ein anderes, das sich mit sozialen Prozessen im neu unabhängigen Estland befasst. Sie vermied die vorherrschenden Prinzipien des Bronzealters und entschied sich für formale Experimente von Surrealismus bis hin zu Darstellungen der Popkultur und des täglichen Lebens.
Während ihres Studiums stellte Põder Menschen als Puppen dar, indem sie Drahtstrukturen, Gips und Textilien verwendete. In den 1980er Jahren integrierte sie Plastik und schuf abstrakte Skulpturen. In den 1990er Jahren vollendete sie eine Serie von Puppen und begann eine neue Serie mit dem Titel 'Pattern as a sign', bei der sie alte Kleidungsstücke zerschnitt, um Kunstwerke zu schaffen. Eine bedeutende Veränderung in Põders Werk kam mit ihrer Seifenabdruck-Serie im Jahr 1998. Sie setzte ihre Experimente mit neuen Materialien und menschlichen Silhouetten bis zu ihrer Ausstellung 'Super' im Jahr 2007 fort, die die Beziehung des Individuums zur Gesellschaft erforschte. Anu Põder war eine vielseitige estnische Künstlerin, bekannt für ihren innovativen und sich entwickelnden Ansatz zur Bildhauerei und Installationskunst. Ihre Werke spiegelten ihre persönlichen Erfahrungen und die sich verändernde Welt um sie herum wider und hinterließen einen bleibenden Eindruck in der Kunstszene Estlands und darüber hinaus.
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